Der medizinischer Ansatz

Die ganzheitliche Betreuung steht im Mittelpunkt

Interview mit Dr. med. Hans Pohlmann, Vorstand Förderverein Palliativstation Harlaching e.V. und Oberarzt der Palliativstation

Herr Dr. Pohlmann, seit wann beschäftigen Sie sich mit der Palliativmedizin?

Seit ca. Herbst 2000, bis dahin war unsere 1997 gegründete Palliativstation fest mit einer Assistenzärztin, Frau Dr. Bausewein, und deren Vertretung besetzt, die seit der Gründung der Station dort tätig waren. Frau Dr. Bausewein suchte neue berufliche Perspektiven und in unseren onkologischen Klinik, zu der die Palliativstation weiter gehört, wurde ein Nachfolger/in gesucht. So startete ich meine Arbeit auf der Palliativstation. Ich wurde Oberarzt der Station und wir führten eine Rotation auf der Assistenzarzt-Ebene ein.

Wie haben Sie sich auf die Betreuung palliative Patienten vorbereitet? Haben Sie eine Zusatz-Qualifikation erworben?

Erstmal learning-by-doing, unter Anleitung von Fr. Bausewein und mit viel Unterstützung von den sehr erfahrenen Pflegenden. Dann folgte ein Palliativ Grundkurs an der Christophorus Akademie in München, schließlich Masterstudium – Palliativ-Care, Ethik und Kommunikation am Lebensende (MAS) in Sitten(Wallis).

Die spezielle Schmerztherapie ist für Internisten fast nicht erwerbar, da sie die interventionellen Techniken voraussetzt, dazu müsste man länger in die Anästhesie wechseln, was kaum möglich ist. Außerdem haben wir diese invasiven Techniken schon seit Jahren in der Schmerztherapie auf der Palliativstation nicht mehr benötigt.

Die Zusatzbezeichnung “Palliativmedizin” gibt es in Bayern seit ca. 2004, ich habe sie 2005 erworben.

Was für Patienten mit welchen Krankheitsbildern behandeln Sie auf der Palliativstation?

Derzeit sind noch immer ca. ¾ der Patienten Tumorpatienten, es folgen neurolgische Erkrankung wie Schlaganfallpatienten, Patienten mit M.Parkinson, Multipler Sklerose oder anderen degenerativen Erkrankungen vor allem Amyotrophe Lateralsklerose. Dann auch Patienten mit fortgeschrittenen, nicht mehr besserbaren Herz- und mit fortgeschrittenen Lungenerkrankungen.

Wie lange bleiben die Patienten durchschnittlich auf der Station und wie ist dann der weitere Weg?

Die Patienten bleiben im Durschnitt ca. 10 Tage auf der Station, aber ist sehr unterschiedlich, so gibt es Patienten die leider sehr spät kommen und nach wenigen Stunden sterben, aber auch Patienten die länger als drei Wochen bleiben, insbesondere dann, wenn die Organsation der weiteren Versorgung schwierig ist. In gibt es ja in München nur wenig Hospizplätze, 28 für die Stadt und das Umland, das heißt für mehr als ca. 2 Millionen Menschen. Zu wenig. Ich muss aber auch sagen, dass ca. 70% der Menschen, die zu uns kommen, auch bei uns sterben.

Was ist der Unterschied zwischen Palliativstation und Hospiz?

Eine Palliativstation ist Krankenhaus und durch die Krankenkasse voll finanziert. Die Aufnahme bedeutet aber auch, dass das ambulante System die Probleme des Patienten nicht (mehr) lösen kann.

Auf einer Palliativstation sind alle Möglichkeiten eines Krankenhauses gegeben, alle Diagnostik, die Hinzuziehung der am Krankenhaus vorhandenen Fachrichtungen, auch gibt es wochentags täglich eine ärztliche Visite. Natürlich ist im Krankenhaus auch immer ein Arzt im Dienst und zuständig. Es bedeutet aber auch, dass, wenn die Behandlung von Beschwerden nicht mehr im Vordergrund steht und eine neue Stabilität eingetreten ist, eine neue Versorgung gefunden werden muss.

Im Hospiz geht es um die ganzheitliche pflegerische Betreuung von Menschen, deren Lebenszeit sehr begrenzt ist. Die Finanzierung erfolgt aus drei Quellen: Krankenkasse, Pflegekasse und Spendengelder. die der Träger aufbringen muss.

Was ist das Besondere an der Arbeit in der Palliativstation?   

Besonders ist die Zielsetzung: es geht nicht um Lebensverlängerung, Heilung, sondern um Besserung der Beschwerden, Einsatz von Technik mit Augenmaß, besondere strenge Infragestellung von Diagnostik -was hilft sie uns bei der Beschwerdenlinderung? Das fänge schon bei der Blutentnahme an, was hilft sie uns bei der Therapie, was würden wir anders machen? Diese Fragen müssen wir uns immer wieder stellen. Wir wollen die Patienten nicht mit unnötigem medizinischem “Lärm” belasten.

Auch stellen wir uns immer wieder den Fragen, macht Lebensverlängerung noch Sinn, was ist der Wille des Patienten, wenn er ihn nicht mehr äußern kann, was wäre sein Wille, hierzu bedarf es der engen Zusammenarbeit mit den Angehörigen und den Berufsgruppen.

Von der Ausstattung ist unsere Personalschlüssel im Pflegbereich mit 1,2 Pflegenden/Patienten wg. der hohen Herausforderungen auch ganz besonders hoch.

Wie beurteilen Sie die Entwicklung der Palliativstation seit Ihrer Gründung 1997?

Das Palliative Netz in München ist dichter geworden. 1997 gab es nur eine Palliativstation in München, kein Hospiz, und den Christophorus Hospizverein im ambulanten Bereich der aber vor allem die psycho-soziale Begleitung von unheilbar Kranken leistete.

Jetzt gibt es 4 Palliativstationen, 2 Hospize, mehrere Hopiz-Vereine und 5 spezialisierte, ambulante Palliativteams in München, d.h. die Versorgung ist viel dichter geworden.

Auf die Palliativstation kommen komplexere Patienten, vor allem auch was die psycho-soziale Situation angeht, zudem ist das Wissen über die Möglichkeiten der Palliativversorgung größer geworden, so dass mehr Patienten eine palliative Versorgung angeboten werden kann.

Auch wird – noch sehr langsam – deutlicher, dass Palliative-care nicht nur für Tumorpatienten ist, sondern auch für schwer Herzkranke, Menschen mit fortgeschrittenen Lungenerkrankungen und anderen unheilbaren Erkrankungen, nicht nur Krebs ist unheilbar, viele Erkrankungen haben ähnliche Beschwerden in der Endphase der Erkrankung, da kann Palliative-Care auch viel leisten.

Wie verkraften die Mitarbeiter den ständigen Umgang mit Tod und Sterben?

Wichtig ist das Team, die Zusammenarbeit, der Austausch, die wöchentliche Besprechung , die Supervision. Auch bekommen wir von vielen Seiten Dank und Anerkennung für die Arbeit, von Angehörigen, anderen Stationen und Kollegen, das tut gut und motiviert, den hohen Standard zu halten. Auch die Patienten sind meist sehr froh, bei uns sein zu können, auch das freut uns und  spornt uns an.

Dr. med. Hans Pohlmann